Rezensionen

Die bedrohte Schönheit der Vielfalt

Eine Reise nach Vietnam, Singapur, Kambodscha - eine Annäherung

Asien nach unseren Reisen nach China, Korea und Indien aus einer anderen Perspektive kennenzulernen, hat uns bewogen, eine Privatreise nach Vietnam und Kambodscha zu unternehmen. Da wir keine Backpacker sind und den Komfort durchaus schätzen, schien uns eine Reise mit privatem Führer die intensivste und für uns komfortabelste Form das Land zu bereisen.

Klar war uns auch, dass wir nur Eindrücke aufnehmen können, eine erschöpfende Kenntnis des Landes bleibt uns natürlich verwehrt. Wenn der Tourismus in dieser komfortablen Form in einem Land möglich ist, bedeutet das natürlich auch, dass der Massentourismus mit seinen Segnungen aber vor allen Dingen auch mit seinen Schattenseiten schon Einzug gehalten hat. Eine Öffnung für den Weltmarkt nur mit den Vorteilen zu erwarten ist Illusion, das Land muss bezahlen mit dem Import westlicher, auch dekadenter Konzepte und Verhaltensweisen. Die Missachtung der ökologischen Vielfalt steigt und der Verlust der kulturellen Besonderheiten droht. In der Hoffnung, dass dieser Prozess noch nicht alles Besondere vernichtet hat und die kulturellen und sonstigen Schönheiten noch zu finden sind, haben wir uns auf den Weg gemacht.

 

 

Ziel war auch, nachzuspüren, wie sich die Kultur auf das Denken und Fühlen der Menschen auswirkt und was der Fortschritt schon ausgelöscht hat. Die Vorstellung, dass das Leben durch das Karma vorbestimmt, nur begrenzt vom Einzelnen beeinflusst werden will und kann und eine Reinkarnation auf geistiger Ebene erfolgen wird, variiert nur begrenzt in der Ausprägung der vorherrschenden Religionen: dem Buddhismus, dem Hinduismus, dem Taoismus, dem Konfuzianismus und diversen animistischen Urreligionen. Auch der Katholizismus, von den Franzosen ins Land gebracht, hat seinen Platz gefunden. Man hat manchmal den Eindruck, es könnte sich alles vermischen und alles betet zu der gerade zuständigen Gottheit. Allen Richtungen gemeinsam ist eine Ahnenverehrung, die an vielen Plätzen greifbar wird sowohl im Privaten als auch in den verschiedenen Tempeln.

 

 

Mit dieser Geisteshaltung geht ein eigentlich freundlicher Umgang der Menschen miteinander einher, umso verstörender sind die erst in jüngster Geschichte in Vietnam und Kambodscha stattgefundenen Kriege und Bürgerkriege, die mit einer unvorstellbaren Brutalität Menschen Millionen von Menschen aus unterschiedlichen Motiven hingemetzelt haben. In Vietnam liegt dieser Krieg, den sie „the american war“ nennen, 40 Jahre zurück, war aber gefolgt von heftigen Umerziehungsmaßnahmen in Südvietnam, bis 1995 mit den Beitritt zur Asean erste wirtschaftliche Reformen eingeleitet wurden. Wie die Amerikaner jemals die Vorstellung entwickelten, einen Krieg in einem agrarisch dominierten Land mit einem schmalen Küstenstreifen mit wenigen größeren Städten, einem von Dschungel bewachsenen tropischen Delta und einem dicht bewaldeten Hinterland gewinnen zu können, gehört für mich zu den Rätseln der Zeit.

 

 

Interessant ist, dass in Südvietnam die Familien noch eingeteilt werden in „Vietcong“ Familien und Südvietnamesen. Es gibt auch Wahrheiten, insbesondere die Kriegsverbrechen der Vietcong, die aus ideologischen Gründen nicht zur Kenntnis genommen werden dürfen. Diese Brüche in der Gesellschaft werden, wie wir Deutschen aus eigener Erfahrung wissen, noch viele Jahrzehnte zur Aufarbeitung brauchen. Wie im Deutschland der sechziger Jahre hat man auch hier den Eindruck, dass ein Rückwärtsschauen vermieden wird und der Glaube vorherrscht, nach vorne in eine bessere Zukunft zu sehen sei möglich, ohne die Vergangenheit zu akzeptieren und zu bearbeiten.

 

 

Wir haben mit einem Deutschen südvietnamesischer Herkunft ein langes und intensives Gespräch geführt. Er kämpfte gegen die Vietcong, kam in Kriegsgefangenschaft und floh als 28-jähriger als Einer der „boat-people“ 1978 nach Deutschland. Die Kriegserlebnisse sind traumatisch verschlossen, als er darüber sprach verhärteten sich seine Gesichtszüge und er sagte nur: „Unvorstellbares erlebt“. Auffällig ist bei der Reise durchs Land, dass es zumindest in Mittelvietnam in der Küstenregion relativ wenig ältere Menschen gibt, im Delta trifft man ein paar mehr. Mehrfach wurde uns eindringlich erzählt, dass die Chinesen nicht geliebt werden. Sie werden als Hegemonialmacht und Bedrohung erlebt und die Furcht vor einer „Vereinnahmung“ ist groß.